Deutschland ist eines der wenigen Länder, in denen noch kein generelles Tempolimit auf Autobahnen gilt. Das führt regelmäßig zu Debatten – sowohl auf politischer und gesellschaftlicher Ebene als auch unter Autofahrern. Die einen halten das Tempolimit für ein einfaches Mittel für mehr Klimaschutz und weniger Staus, Lärm und Unfälle – die anderen halten dagegen. Lesen Sie hier die Argumente pro und contra Tempolimit und interessante Fakten zur aktuellen Diskussion.
Aktuelle Lage: Wird die Geschwindigkeit limitiert?
Kaum ein Tag vergeht, an dem es keinen neuen Vorschlag, eine neue Studie oder eine neue Meinung zum Tempolimit auf deutschen Autobahnen gibt. Fakt ist allerdings, dass die (damals) neue Bundesregierung im November 2021 in ihrem Koalitionsvertrag ein Tempolimit ausgeschlossen hat. Seitdem gibt es zwar vor allem aus den Reihen der Grünen immer wieder einen Vorstoß pro Tempolimit, allerdings sieht es nicht danach aus, als würde es in naher Zukunft tatsächlich umgesetzt werden. Zuständig für das Tempolimit ist nämlich der Bundesverkehrsminister – und das ist aktuell Volker Wissing von der FDP, die sich klar gegen ein Tempolimit ausspricht.
Pro Tempolimit: Das sind die Vorteile
Das sind die Pro-Argumente für ein Tempolimit in Deutschland:
1. Klimaschutz
Das Hauptargument der Befürworter sind die verkehrsbedingten CO2-Emissionen, die durch ein Tempolimit eingespart würden. Je nachdem, welcher Studie man glaubt, sind die Auswirkungen auf das Klima durch ein Tempolimit jedoch unterschiedlich hoch. Hier einige Beispiele:
- Die Deutsche Umwelthilfe sagt, dass man durch ein Tempolimit auf allen Straßen (nicht nur Autobahnen) über 9 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einsparen kann.
- Das Umweltbundesamt geht in einem Gutachten, das im Januar 2023 veröffentlicht wurde, von einer Einsparung von 6,7 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr bei einem Tempolimit von 120 km/h aus.
- Die Zahlen aus dieser Studie des Umweltbundesamtes hat die FDP wiederum in einer selbst in Auftrag gegebenen Studie nachrechnen lassen, die zu einem ganz anderen Ergebnis kommt: Demnach würden durch ein Tempolimit von 120 km/h lediglich 1,1 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr eingespart. Dafür hagelte es Kritik, unter anderem vom Verkehrsclub Deutschland (VCD), welcher der FDP vorwirft, die Einsparung „kleinzurechnen.“
2. Weniger Unfälle
Ein weiteres Argument für das Tempolimit ist, dass es dadurch weniger Verkehrsunfälle geben könnte. Ein Tempolimit würde dazu führen, dass es zu weniger gefährlichen Situationen wie Brems- oder Überholmanövern kommt, so die Befürworter.
Auch hier gibt es unterschiedliche Statistiken. Der ADAC sieht keinen Zusammenhang zwischen Verkehrsunfällen und Tempolimit (siehe unten). Eine Auswertung des Magazins „Der Spiegel“ mit Zahlen aus dem Jahr 2017 hat aber ergeben, dass es innerhalb Deutschlands auf Strecken mit Tempolimit 75 Prozent weniger tödliche Unfälle gibt als auf Strecken ohne Tempolimit.
3. Schutz vor Lärm
Verkehrslärm ist für Menschen und Tiere eine große Belastung. Laut Statista waren im Jahr 2020 deutschlandweit 8,5 Millionen Menschen von Straßenlärm über 55 dB betroffen. Durch ein Tempolimit kann die Lärmbelastung reduziert werden, denn je langsamer ein Auto unterwegs ist, desto weniger Fahrgeräusche verursacht es. Laut dem Wissensmagazin Quarks hat das österreichische Umweltbundesamt ermittelt, dass eine Steigerung der Geschwindigkeit von 130 auf 140 km/h eine Steigerung der Lärmbelastung von 18 Prozent bedeutet.
4. Weniger Stau
Durch ein Tempolimit könnte der Verkehr besser „fließen“, weil alle Fahrzeuge mit der gleichen Geschwindigkeit fahren. Dies könnte auch dazu führen, dass weniger Autofahrende überholen, andere ausbremsen oder abrupt bremsen – mögliche Auslöser für einen Stau.
5. Stress reduzieren
Ein Punkt, der laut Befürwortern des Tempolimits nicht zu vernachlässigen ist: Durch ein Tempolimit wäre Autofahren weniger stressig und alle kämen entspannter ans Ziel. Im Straßenverkehr ginge es nicht mehr so hektisch zu, es gäbe weniger Raser und Drängler – was vor allem Menschen zugutekäme, die Angst vor dem Autofahren haben.
Schild: Geschwindigkeitsbegrenzung aufgehoben
6. Wirtschaftliche Vorteile
Einer aktuellen Studie des Fachjournals Ecological Economics zufolge bringt ein Tempolimit neben den Vorteilen für die Umwelt auch einen hohen wirtschaftlichen Nutzen mit sich. Demnach würden durch ein Tempolimit sogenannte Wohlfahrtsgewinne für Deutschland von mindestens 950 Millionen Euro jährlich entstehen. Diese kämen neben den Emissionseinsparungen vor allem durch eingesparten Treibstoff, weniger Unfälle, geringere Lieferkettenkosten und Einsparungen bei der Infrastruktur zustande.
Gut zu wissen: Was sind Wohlfahrtsgewinne?
Als “Wohlfahrt“ bezeichnet man in der Ökonomie den Nutzen für jeden einzelnen oder die gesamte Gesellschaft. Das Konzept der Wohlfahrt wird dazu verwendet, die Auswirkungen politischer Entscheidungen zu bewerten. Führen diese zu einem positiven Effekt, spricht man von einem Wohlfahrtsgewinn. Es gibt jedoch unter Forschenden unterschiedliche Meinungen darüber, welche Faktoren genau die Wohlfahrt bestimmen.
Vergleich: Unfälle mit Schwerverletzten und Toten – mit und ohne Tempolimit
Günstige Autoversicherung gesucht?
Contra Tempolimit: Argumente gegen eine Geschwindigkeitsbegrenzung
Kein Tempolimit? Das sind die Argumente, die gegen ein Tempolimit sprechen:
1. Geringer Beitrag zum Klimaschutz
Wie oben erwähnt, gibt es verschiedene Berechnungen dazu, wie hoch der Beitrag eines Tempolimits für den Klimaschutz wäre. Dass durch ein Tempolimit CO2 eingespart wird, liegt auf der Hand, allerdings ist nicht klar, wie viel genau. Kritiker bezweifeln, dass ein Tempolimit einen nennenswerten Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten kann.
2. Kein Mehr an Sicherheit
Der Vergleich mit Ländern, in denen es ein Tempolimit gibt, lässt keinen direkten Rückschluss darauf zu, dass ein Tempolimit weniger Unfälle bedeutet. Eine Auswertung des ADAC hat dieses Bild ergeben:
Hat das Tempolimit einen Einfluss auf die Verkehrssicherheit?
Der ADAC argumentiert in dieser Hinsicht auch damit, dass Autobahnen ohnehin die sichersten Straßen in Deutschland sind. Die eigentliche Schwachstelle seien die Landstraßen, auf denen rund 60 Prozent der Verkehrstoten zu beklagen sind. Sinnvoller ist es laut ADAC daher, auf den Strecken eine Geschwindigkeitsbegrenzung einzuführen, auf denen besonders viele Unfälle passieren.
3. Kaum Einfluss auf Lärmbelästigung
Auch das Argument „weniger Lärm“ lassen Gegner des Tempolimits nicht gelten. Der meiste Lärm werde nämlich durch Lkw verursacht, die auf Autobahnen ohnehin nicht mehr als 80 km/h fahren dürfen. Außerdem werde es in Zukunft immer mehr E-Autos auf den Straßen geben, die wenig bis keinen Lärm verursachen.
4. Staus werden nicht reduziert
Dass ein Tempolimit dafür sorgt, dass es weniger Stau gibt, bezweifeln Kritiker. Der ADAC argumentiert dahingehend, dass die Kapazität einer Autobahn bei Tempo 80 am höchsten sei, weshalb ein Tempolimit von 130 km/h keinen nennenswerten Effekt auf den Verkehrsfluss habe. Außerdem sei der derzeitige Stand, dass auf Abschnitten mit hoher Verkehrsdichte Geschwindigkeitsbegrenzungen gelten, ausreichend.
5. Einschränkung der persönlichen Freiheit
Gegner des Tempolimits argumentieren damit, dass es in Deutschland schon genügend Verbote gebe und dass es jedem selbst überlassen sein sollte, wie schnell er fährt.
Argumente Pro und Contra: Zusammenfassung
In der folgenden Tabelle haben wir die Argumente für und gegen ein Tempolimit noch einmal zusammengefasst:
Pro und Contra Tempolimit – die wichtigsten Argumente zusammengefasst
Tempolimit in der EU – wie sieht es in anderen Ländern aus?
Was das Tempolimit angeht, ist Deutschland in der EU die einzige Ausnahme: Alle anderen EU-Länder haben ein allgemeines Tempolimit auf der Autobahn. Auch weltweit sieht es nicht anders aus – nur elf von 195 Ländern auf der Welt haben kein Tempolimit, darunter neben Deutschland Länder wie Somalia, Haiti oder Mauretanien – wobei man davon ausgehen kann, dass es hier auf den Straßen ohnehin kaum möglich ist, Höchstgeschwindigkeiten zu fahren.
Warum hat Deutschland keine Begrenzung?
Diese Frage lässt sich nicht so einfach beantworten. Historisch gesehen scheiterte die Einführung eines Tempolimits immer an der erforderlichen Mehrheit im Bundesrat. Während der Ölkrise 1973/74 gab es zeitweise ein Tempolimit von 100 km/h auf deutschen Autobahnen. Danach wollte der damalige Bundeskanzler Willy Brandt dauerhaft ein Tempolimit von 120 km/h umsetzen, allerdings konnte sich dies nicht durchsetzen. Stattdessen wurde die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h eingeführt, die bis heute gilt.
Umfragewerte zum Tempolimit:
Sind mehr Menschen in Deutschland für oder gegen das Tempolimit? Auch das Meinungsbild in der Öffentlichkeit hat sich im Verlauf der Jahre immer mal wieder geändert. Derzeit ist die Mehrheit der Deutschen aber für ein Tempolimit. Je nach Umfrage ergeben sich jedoch andere Werte: In einer Erhebung von YouGov aus dem Jahr 2022 sprachen sich 57 Prozent der Befragten für ein Tempolimit aus, 33 Prozent waren dagegen, 10 Prozent nicht sicher. Laut Statista sind 42 Prozent dafür und 22 Prozent für „eher ja.“ Eine Umfrage unter ADAC-Mitgliedern hat ergeben, dass 54 Prozent sich für ein Tempolimit aussprechen.
Fazit: Pro und Contra zur allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzung
Die Diskussion um das Tempolimit wird in Deutschland so schnell kein Ende finden. Es gibt gute Argumente für ein Tempolimit, jedoch können auch die Gegner mit Daten und Fakten dagegenhalten. Mittlerweile spricht sich aber eine Mehrheit der Deutschen für ein Tempolimit aus. Ob und wann die Politik sich der Stimmungslage anpasst und ein Tempolimit auf den Weg bringt, bleibt abzuwarten. Hierbei spielt sicherlich auch eine Rolle, inwieweit ein Tempolimit als einfaches Mittel angesehen wird, die gesetzten Klimaziele zu erreichen.
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