In der Theorie klingt das Reißverschlussverfahren im Straßenverkehr eigentlich nach einem simplen Prinzip. Jedoch zeigt sich in der Praxis oft vor so mancher Baustelle oder einer Spursperrung ein anderes Bild. Ein Auto drängt sich schon weit vor der Fahrbahnverengung auf die weiterführende Spur oder ein anderes hindert einen vermeintlichen Drängler am Ende von dessen Fahrbahn am Einfädeln. Dann tritt genau das ein, was das Verfahren im Grunde verhindern soll: Der Verkehr stockt und es kommt zum Stau. Wann und wie Sie das Reißverschlussverfahren richtig anwenden, welche Fehler Sie vermeiden sollten und welches Bußgeld bei Verstößen drohen kann, erfahren Sie hier – mit Erklärvideo.
Was ist das Reißverschlussverfahren und wie funktioniert es?
Das ist das Reißverschlussverfahren
Das Reißverschlussverfahren ist eine Verkehrsregel der Straßenverkehrsordnung (StVO) mit der auch bei Engstellen ein optimaler Verkehrsfluss gewährleistet werden soll – der Verkehr also im Rollen bleibt. Somit müssen Fahrerinnen und Fahrer dieses Verfahren anwenden, wenn bei einer Strecke mit mehreren Fahrspuren je Fahrtrichtung
- eine Fahrspur endet
- oder eine Fahrspur wegen eines Hindernisses nicht durchgehend befahrbar ist.
Dabei gilt das Reißverschlussverfahren in diesen Fällen unabhängig davon, ob es durch eine Beschilderung angekündigt wurde oder nicht.
So funktioniert das Reißverschlussverfahren
Beim Reißverschlussverfahren sind Fahrende auf der durchgehenden Spur verpflichtet, je ein Fahrzeug von der endenden Spur unmittelbar vor der Engstelle einfädeln zu lassen. An der Engstelle soll somit immer abwechselnd – wie bei einem Reißverschluss – ein Auto der durchgehenden Spur und ein von der endenden Spur eingefädeltes Auto einfahren.
Die Bezeichnung rührt daher, dass sich die Fahrzeuge – genauso wie die Zähnchen bzw. Krampen beim Zuziehen eines Reißverschlusses – jeweils abwechselnd von beiden Seiten und eines nach dem anderen flüssig auf der durchgängigen Fahrspur einordnen.
Wie verhalte ich mich richtig beim Reißverschlussverfahren?
Ganz gleich, ob Baustelle, Verkehrsunfall oder Ende einer Ausbaustrecke: Kündigt sich eine anstehende Fahrbahnverengung an, sind alle Verkehrsteilnehmenden aufgefordert, mit erhöhter Aufmerksamkeit und gegenseitiger Rücksichtnahme zu fahren – zudem ist auch Kommunikationsbereitschaft gefragt.
Während beim Reißverschlussverfahren die Fahrenden auf der durchgehenden Fahrspur verpflichtet sind, ein Fahrzeug von der endenden Spur unmittelbar vor der Engstelle einscheren zu lassen, haben Fahrspurwechsler das Recht, sich direkt vor der Verengung einzufädeln.
Fahrspurwechsler sind zudem aber noch grundsätzlich nach § 7 Absatz 5 StVO zu äußerster Sorgfalt verpflichtet und dafür verantwortlich, dass niemand durch den Fahrspurwechsel behindert oder gefährdet wird. Dazu ist unter anderem jeder Spurwechsel rechtzeitig und deutlich – mit Blinker – anzukündigen.
Wie das Reißverschlussverfahren richtig funktioniert und welche Fehler Sie vermeiden sollten, sehen Sie in unserem Video:
Schritt für Schritt: Richtiges Einfädeln für Spurwechsler im Reißverschlussverfahren
- Fahren Sie auf Ihrer Fahrbahn bis kurz vor die Fahrbahnverengung heran.
- Behalten Sie dabei den rollenden Verkehr neben sich im Blick.
- Setzen Sie kurz vor Ihrem Spurwechsel den Blinker.
- Passen Sie Ihr Tempo an das der Fahrzeuge der durchgehenden Fahrspur an.
- Wechseln Sie die Spur erst unmittelbar vor der Engstelle. Verständigen Sie sich dazu gegebenenfalls per Blickkontakt mit dem Fahrer nebenan. Nun kann Folgendes passieren:
- Fall A: Sie erhalten zum Beispiel per Handzeichen ein Okay oder man lässt Ihnen eine Lücke, in die Sie sich einordnen können. So läuft alles richtig und Ihr Einfädelmanöver ist gelungen.
- Fall B: Das Fahrzeug rollt weiter und lässt Ihnen partout keinen Platz zum Einfädeln. Jetzt bloß nicht reindrängeln! Warten Sie und versuchen Sie den Spurwechsel stattdessen beim folgenden Auto. Schulterblick und Kontaktaufnahme nicht vergessen.
Auch wenn es Sie nervt, beharren Sie bei Ihrem geplanten Spurwechsel nicht stur auf Ihrem Wechselrecht. Ordnen Sie sich nur auf die weiterführende Fahrbahn ein, sofern Sie dies ohne Gefahr für Sie selbst oder andere tun können. Fahren Sie mit angepasster Geschwindigkeit weiter und halten Sie den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand zum vor Ihnen fahrenden Fahrzeug ein.
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Was sind häufige Fehler oder Missverständnisse beim Reißverschlussverfahren?
In Bezug auf das Einfädeln und andere einfädeln zu lassen, kommt es unter Verkehrsteilnehmenden immer wieder zu Irrtümern. Wichtig zu wissen ist, dass es beim Reißverschlussverfahren nicht darum geht, zur Stauvermeidung so früh wie möglich auf die weiterführende Spur zu wechseln – im Gegenteil.
Erfahrungsgemäß steigern Autofahrende das Risiko einer Staubildung sogar, wenn sie zu früh, bereits nach der ersten Ankündigung einer bevorstehenden Fahrbahnverengung auf die durchgehende Fahrspur wechseln. Aus diesem Grund gibt es zum Beispiel Schilder mit dem Hinweis: „Reißverschluss erst in 600 m“.
Ein weiterer Fehler wäre außerdem, sich als Spurwechsler hinter einen Einfädler in die sich auftuende Lücke auf der durchgängigen Fahrspur zu quetschen. Auch wer andererseits mehrere statt nur einen Einfädler reinlässt, sorgt für mehr Verzögerung im Verkehrsfluss. Dieses Vorgehen widerspricht nicht nur dem Prinzip der Rechts-Links-Abwechslung des Reißverschlussverfahrens, sondern kann auch gefährdend sein.
Zudem gibt es auch viele, die dem Missverständnis erlegen sind, dass jemand, der bis zur Engstelle vorfährt und sich erst dort in den weiterfließenden Verkehr einfädeln will, ein dreister Vordrängler sei. Nicht selten wird diesem dann das Einfädeln verweigert – fatal, denn solche Situationen erhöhen nur das Unfallrisiko.
Autofahrerinnen und Autofahrern, die es anderen Verkehrsteilnehmern nicht ermöglichen, sich im Rahmen des Reißverschlussverfahrens einzuordnen und diese dabei behindern, droht laut Bußgeldkatalog ein Verwarngeld in Höhe von 20 Euro. Wird das Einfädeln wiederholt verhindert, liegt Vorsatz vor, was als Nötigung verstanden wird. Diese kann eine höhere Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren zur Folge haben. Zudem können drei Punkte in Flensburg drohen. Auch ein Fahrverbot von bis zu drei Monaten oder der vollständige Entzug der Fahrerlaubnis sind mögliche rechtliche Konsequenzen. Fahren Sie lieber nach dem Leitsatz „Go with the flow“ – so kommen Sie und andere entspannter und sicherer durch Engpässe im Straßenverkehr.
Das Reißverschlussverfahren laut StVO – So regelt es das Gesetz
In Deutschland ist das Reißverschlussverfahren seit 2001 offizieller Bestandteil der Straßenverkehrsordnung. Unter Paragraph 7, der die Benutzung von Fahrstreifen durch Kraftfahrzeuge regelt, heißt es dazu im Absatz 4:
„Ist auf Straßen mit mehreren Fahrstreifen für eine Richtung das durchgehende Befahren eines Fahrstreifens nicht möglich oder endet ein Fahrstreifen, ist den am Weiterfahren gehinderten Fahrzeugen der Übergang auf den benachbarten Fahrstreifen in der Weise zu ermöglichen, dass sich diese Fahrzeuge unmittelbar vor Beginn der Verengung jeweils im Wechsel nach einem auf dem durchgehenden Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug einordnen können (Reißverschlussverfahren).“
Die Ausnahme der Regel beachten
Das Reißverschlussverfahren greift nicht bei jedem endenden Fahrstreifen. Zum Beispiel gilt es explizit nicht bei Autobahnauffahrten vom Beschleunigungsstreifen. Gemäß § 18 Absatz 3 der StVO hat hier immer der Verkehr auf dem durchgehenden Fahrstreifen Vorfahrt. Wer auf die Autobahn auffahren will, ist zum Warten verpflichtet und ist erst dann zum Fahren berechtigt, wenn ausreichend Platz ist und niemand anderes beim Auffahren behindert werden kann.
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Reißverschlussverfahren: Unterschiede und Besonderheiten im Ausland
Ein Blick über Deutschlands Grenzen hinweg zeigt, dass das Reißverschlussverfahren im Straßenverkehr zwar nicht überall, jedoch vielerorts angewendet wird, wenn auch teils in variabler Handhabung. Im Nachbarland Österreich kennt man es beispielsweise unter der Bezeichnung „Reißverschlusssystem“. Davon abgesehen regeln beide Länder das Verfahren gleich.
In der Schweiz ist das sogenannte „Reißverschluss-Prinzip“ seit 2021 Pflicht. Wer hier keine Lücke schafft, zahlt neuerdings seit Sommer 2023 für das Behindern eine sogenannte „Busse“ in Höhe von 100 Franken, also umgerechnet etwa 105 Euro Bußgeld. Auch, wer sich mit Gewalt reindrängelt, kann mit einer teuren Strafanzeige rechnen. Anders als hierzulande gilt das Reißverschlussverfahren in der Schweiz bei dichtem Verkehr aber auch für Einfädelstreifen zur Autobahn.
In Polen gilt das Reißverschlussverfahren per Gesetz seit Ende 2019, wobei es verpflichtend in allen Situationen ist, in denen eine Fahrspur endet. Jeder, der auf der weiterführenden Spur fährt, muss je ein Fahrzeug von der endenden Spur vorlassen. Eine erhebliche Umgewöhnung, denn zuvor fuhr man nicht bis zum Fahrspurende durch, sondern versuchte so früh wie möglich den Fahrstreifen zu wechseln.
Ein Blick über den großen Teich zeigt, dass in den USA und Kanada das Reißverschlussverfahren nicht bekannt ist. Wer auf den Interstates, Freeways oder Highways in Nordamerika unterwegs ist, sollte sich somit bei Fahrspurverengungen, die durch Schilder mit dem Hinweis „merge left“ oder „merge right“ angekündigt werden, frühzeitig einordnen.
Unfall im Reißverschlussverfahren: Wer haftet?
Ganz gleich, ob einfacher Fahrspurwechsel oder das Reißverschlussverfahren: Fahrspurwechsler sind gesetzlich zu äußerster Sorgfalt verpflichtet. Kommt es bei einem üblichen Spurwechsel zu einer Kollision, beruht dies meist darauf, dass der Spurwechsler schuldhaft gegen seine Sorgfaltspflicht verstoßen hat – zum Beispiel durch zu spätes oder unterlassenes Blinken. Folglich haftet der Spurwechsler dann in der Regel allein.
Allerdings kommt beim Reißverschlussverfahren, wie bereits erwähnt, die Besonderheit hinzu, dass auch die Fahrenden der durchführenden Spur eine Pflicht haben. Sie müssen nämlich immer den vordersten Spurwechsler unmittelbar vor der Engstelle vor sich einfädeln lassen.
Wer unachtsam ist oder bewusst einen Spurwechsler am ordnungsgemäßen Einscheren hindert und dadurch einen Unfall verursacht, riskiert, die Alleinschuld tragen zu müssen und voll zu haften. Allerdings kommt es im Falle eines Unfalls beim Reißverschlussverfahren, wie so oft in der Rechtsprechung, immer auf die Umstände des Einzelfalls an, weshalb es eine eindeutige Antwort auf die Haftungsfrage nicht gibt.
Bestenfalls sind Sie bei jeder Fahrbahnverengung – egal, auf welcher Spur Sie fahren – wie vorgeschrieben besonders aufmerksam und rücksichtsvoll. So tragen Sie dazu bei, dass der Verkehr auch bei Engpässen im Fluss bleibt und Fahrbahnwechsel reibungslos und unfallfrei ablaufen.
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