Mit dem Kauf eines neuen Motorrads geht stets ein Traum in Erfüllung. Doch nur wenige Fahrer treffen die Entscheidung, mit ihrem neuen Bike sofort an die Grenzen zu gehen. Insbesondere was die Drehzahl anbelangt, halten sie sich in der Anfangszeit noch zurück. Sie möchten den Motor noch nicht so sehr belasten, um möglichen Schäden vorzubeugen. Es wird auch vom sogenannten Einfahren gesprochen.
Andererseits gibt es Motorradfahrer, die nicht warten und stattdessen sofort herausfinden möchten, was ihr neues Fahrzeug zu leisten vermag. Sie fahren ihre neuen Motorräder nicht ein und verweisen bei Nachfrage auf die Aussage vieler Hersteller, dass neue Motoren dies gar nicht mehr nötig haben. Als Folge sind viele Biker verunsichert und wissen nicht so recht, ob sie ein neues Motorrad einfahren müssen oder ob sie darauf verzichten können.
Das Einfahren neuer Motoren hat Tradition
Eine erste Antwort liefern die Motorradhersteller. So gut wie jeder Hersteller hält bei Auslieferung auf einem Dokument oder sogar im Handbuch fest, wie das Motorrad einzufahren ist. Im Regelfall werden konkrete Angaben bezüglich der empfohlenen Drehzahl bis zu einem bestimmten Kilometerstand gemacht. Solch eine Empfehlung kann beispielsweise so aussehen, dass die Drehzahl während der ersten 1.000 Kilometer den Wert von 4.000 Umdrehungen pro Minute nicht übersteigen soll.
Diese Empfehlungen sind nicht neu, im Gegenteil: In früheren Zeiten bestand die Notwendigkeit, Motoren einzufahren. Ob Auto, Motorrad oder Nutzfahrzeug, das Einfahren sollte einen sicheren und vor allem langfristigen Betrieb des Motors gewährleisten. Die besagte Notwendigkeit war auf die damaligen Fertigungsverfahren zurückzuführen.
Vor mehreren Jahrzehnten waren die Fertigungstoleranzen weitaus größer, als sie es heute sind. Dies hatte zum Teil erhebliche Auswirkungen auf den Motor. Die Passgenauigkeit der Komponenten war schlichtweg nicht so hoch, sodass an einzelnen Teilen eine zunächst erhöhte Reibung auftreten konnte – so lange, bis sich die betroffenen Komponenten von selbst eingeschliffen hatten.
Tritt Reibung in solch einem Umfang auf, kann sich der Motor im Betrieb stärker erhitzen, als es vorgesehen ist. Zugleich entsteht durch die Reibung ein Abrieb, d.h. kleine Metallpartikel setzen sich im Motoröl ab. Deshalb war es umso wichtiger, den ersten Ölwechsel vergleichsweise früh vorzunehmen.
Motorräder einfahren – die Situation heute
Im Lauf der Jahrzehnte wurden die Produktionsverfahren maßgeblich verbessert. Heutige Motorenteile weisen ein Höchstmaß an Präzision auf. Als Folge ist die Passgenauigkeit viel besser, eine ungewollt hohe Reibung tritt üblicherweise nicht mehr auf. Dementsprechend ist es längst nicht mehr so schlimm, sollte ein Motor nicht eingefahren werden.
Dennoch: Solange Hersteller das Einfahren empfehlen, sollten sich Käufer daran halten. Andernfalls riskieren sie einen unnötig hohen Verschleiß des Motors. Zumal es keineswegs nur um den Motor geht. Beim Motorradfahren werden auch andere Komponenten beansprucht, wie z.B. die Bremsanlage. Bremsscheiben und Bremsbeläge sind neu, weshalb sie sich ggf. noch etwas „einschleifen“ müssen. Wer mit seinem neuen Motorrad gleich beim ersten Anfahren immens beschleunigt und anschließend intensiv bremst, geht ein Risiko ein. Die Bremse könnte sehr ungleichmäßig arbeiten und damit einen Sturz begünstigen.
Abschließend sei noch anzumerken, dass das Einfahren nicht mit dem Warmfahren verwechselt werden darf. Unabhängig von der bisherigen Laufleistung sollte jeder Verbrennungsmotor zunächst warm gefahren werden. Wer hierauf verzichtet und gleich mit sehr hohen Drehzahlen fährt, begünstigt eine ungleichmäßige Hitzeverteilung. Der Bereich um die Brennkammern wird sich besonders schnell erwärmen, während andere Bereiche des Motors ggf. noch relativ kühl sind. Dies kann Spannungen an verschiedensten Teilen auslösen, die für das Aggregat eine unnötige Belastung darstellen. Gegebenenfalls entfallen dann Garantieansprüche. Wenn Sie sich vor Schäden gut absichern wollen, informieren Sie sich am besten frühzeitig über geeignete Motorradversicherungen.